«Man muss Menschen gernhaben»

    BUCHVORSTELLUNG – Ruedi Lustenberger mag Menschen und liebt seine Heimat Romoos und den Bramboden. Daraus ist ein Buch über Originale aus Romoos entstanden. «De Reinek und de Schryber» sind ein Strauss Erzählungen über die Besonderheit eines jeden Menschen und ein Vergnügen zum Lesen – ein originelles Weihnachtsgeschenk für alle, die das Napfgebiet lieben.

    (Bild: CR) Mit «fadengerader» Feder: Ruedi Lustenberger beschreibt in seinem Erstlingswerk «De Reinek und de Schryber» 66 originell Romooser und Brambödler.

    Der frühere Nationalrat Ruedi Lustenberger hat zur Feder gegriffen und ein Buch über Entlebucher Originale geschrieben. Seine 66 Protagonisten in «De Reinek und de Schryber» haben alle etwas gemeinsam: Sie sind stark mit der kargen und schönen Landschaft rund ums Napfgebiete verbunden und mit der Natur verwurzelt. Der ehemalige Romooser Schreinermeister beschreibt seine Mitbürger, die er praktisch alle gekannt hat, äusserst bodenständig und sehr authentisch: Keine gekünstelte Wortwahl, direkt, manchmal leicht überspitzt und überzeichnet, aber immer mit einer kleinen Prise Humor.

    Was inspirierte Sie, dieses Buch zu verfassen?
    Ruedi Lustenberger: Seit 40 Jahren gehe ich im Revier Bramboden auf die Jagd. Dort wurden stets die alten Geschichten von den Menschen dort erzählt. Diese haben mich fasziniert, weil sie eben einmalig, originell und zum Teil auch lustig sind. Einen wesentlichen Anteil am Buch hat mein Jagdkamerad Kammermann Fritz. Ihm habe ich stundenlang zugehört, wie er mit seiner ruhigen und besonnenen Art von den «alten Zeiten» erzählt hat. Und so ist ein Werk entstanden, das die 66 Originale nicht vergessen lässt.

    Sie lieben das Entlebuch respektive Romoos und den Bramboden. Was ist charakteristisch für diese Gegend?
    Die Napfberglandschaft ist stark zerklüftet mit unzähligen Eggen und Tobeln. Nicht umsonst nennt man Romoos das «Centovalli des Kantons Luzern». Die Gemeinde ist gleich gross wie der Kanton Basel-Stadt. Nur leben bei uns lediglich ca. 630 Einwohner, verteilt auf eben diese 37 km2. Mehr als die Hälfte sind Bergbauern, und über 60 Prozent der Gemeindefläche ist bewaldet. Das erklärt auch, weshalb im Bramboden die letzten Holzköhler der Schweiz zu Hause sind. Die Napfbäche führen in ihrem Sand kleine Goldflitter mit. Und so hat sich in den letzten zwanzig Jahren das Goldwaschen zu einer Touristenattraktion entwickelt.

    Wie würden Sie die Originale aus Romoos beschreiben?
    Ferdinand Hodler hat einmal gesagt: «Die Landschaft in der wir leben, gehört zu uns wie Vater und Mutter.» Schöner kann man es nicht ausdrücken. Es trifft auf alle beschriebenen Personen zu. Sie sind und waren allesamt stark mit der Natur verbunden. Denn diese bildete ja auch die Existenzgrundlage für ihr Leben. Die beschriebenen Menschen haben sich kurz und präzis ausgedrückt, keine Vorträge gehalten und auch nicht belehrend gewirkt. Dafür war ihre Sprache blumig und meistens auch mit einer guten Prise Humor und leichten Übertreibungen gespickt.

    Erzählen Sie noch etwas über Ihre Protagonisten im Buch.
    Ich kann nicht über alle 66 beschriebenen Menschen etwas aufzählen. Vier Beispiele:
    De Reinek – so nannte man Franz Thalmann– hat mir sein ganzes Lebensschicksal mit fünf kurzen Worten erklärt. «Z’Müeti het’s nid wöue ha». Er hatte als junger Mann Bekanntschaft mit einer Nachbarstochter. Diese war protestantisch, und deshalb hat das «Müeti» sein Veto eingelegt. Unsere letzte Begegnung war im November 1988. Ich frage: «Fränz, wie geit’s». Er antwortet: «Öppe de i Brambode übere ga lige». Mitte Januar 1989 haben wir ihn auf dem Friedhof neben dem Kirchlein dort beerdigt.
    De Schryber – alias Josef Müller – war 50 Jahre lang Gemeindeschreiber und Sektionschef in Romoos. Alljährlich hat der Kreiskommandant diese zu einem Rapport aufgeboten. Und weil der Schryber sein Heu nie auf der gleichen Bühne hatte wie der Herr Oberst, kam es jeweils zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den beiden. Tags darauf hat sich der Schryber einmal schriftlich beschwert. «So geht es nicht weiter. Einer von uns muss gehen. Sie sind der Ältere!»
    Auf dem Ober Egelshorn auf gut 1’200 m. ü. M. lebte Anfang des 20. Jahrhunderts eine gute Frau und Mutter. Im Februar schneite es unentwegt, der Schnee türmte sich fast zwei Meter auf. Da meint das Müeti: «Es isch ou gar strubs Wätter; es nimmt mi wunder, wis ächt näbetusse nu tuet.»
    Fritz Kammermann wollte dem Ruedi Berger einen «Struber», das ist eine zusammenschraubbare Flinte, abkaufen. Bevor sie den Handel definitiv besiegelten, stand Ruedi auf, nahm den grossen Radio mit sich und trug ihn ins benachbarte Zimmer. Dann kam er wieder zurück, machte die Türe zu und sagte: «Dä mues üs de nid no öppis wöue abhörchle.»

    Sie lieben auch die Menschen. Was schätze Sie so besonders?
    «Man muss Menschen gernhaben». Ich lebe dieses Motto; es hilft, Nachsicht zu üben ob all den Unzulänglichkeiten der Menschheit. Ich suche nicht das Haar in der Suppe, denn jeder Mensch hat seine guten Seiten. Diese zu finden, ist gar nicht so schwer, man muss nur die richtige Einstellung dazu entwickeln. Was ich allerdings gar nicht mag, sind unehrliche, nur auf ihren eigenen Vorteil bedachte Menschen.

    Als ehemaliger Politiker sind sie bestens vernetzt und haben viel Lebenserfahrung. Was haben Sie über die Menschen gelernt?
    Es gibt im Leben und vor allem in der Politik nie nur eine Wahrheit. Das zu akzeptieren ist nicht immer leicht. Aber es hilft, im Misserfolg nicht zu verzweifeln und im Erfolg demütig zu bleiben.

    Interview: Corinne Remund

    «De Reinek und de Schryber», ISBN978-906832-34-0 ist im Buchhandel erhältlich


    Ruedi Lustenberger, 73-jährig, ist in Romoos aufgewachsen und hat zusammen mit seiner Frau Marie-Theres, geb. Duss, während 37 Jahren die Schreinerei geführt. Sie haben fünf Kinder und sind sechsfache Grosseltern. Von 1991 bis 1999 war er als Vertreter der CVP im Luzerner Grossen Rat, der er 1999 präsidiert hat. Zwischen 1999 und 2015 vertrat er seine Region und Partei im Nationalrat. 2014 war er nach dem vormaligen Bundesrat Joseph Zemp der zweite Entlebucher, der als «höchster Schweizer» der Eidgenössischen Bundesversammlung vorgestanden hat. Seit geraumer Zeit schreibt er regelmässig Kolumnen für die Luzerner Zeitung und alljährlich auch einen Beitrag in der Entlebucher Brattig.

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